Schöne Dinge

Ding meines Lebens

Es ist viele Jahre her, dass ich in der Auslage eines kleinen Antiquitätenladens in der Grazer Schmiedgasse eine Vase sah und sie spontan kaufte: sehr gelb und sehr bauchig war sie – eine Erinnerung an die 1970er Jahre. Ich habe sie von hier nach da gestellt und von da nach hier und irgendwann war klar: Ich mag die gelbe, bauchige Vase nicht.

Jahre später fuhr ich wieder an der Auslage des Antiquitätenladens vorbei und entdeckte sie – eine weiße, hohe, schlanke Vase mit kreisrunden Ornamenten. Ich ging nach Hause, holte die gelbe Vase und bot der Ladenbesitzerin einen Tauschhandel an. Sie sagte überraschenderweise zu und ich verließ den Laden mit meiner ersten weißen Vase und dem Vorsatz, um sie herum eine kleine, feine Sammlung aufzubauen.

In der Zwischenzeit hielt meine erste weiße Vase die Stellung: ganz allein wirkte sie anfangs verloren, nicht einmal Blumen hab‘ ich in sie hineingetan. Nur einmal trug sie im Winter einen riesigen und schweren Strauß an Hagebutten, die ständig in Gefahr waren, samt der Vase vom Regal zu kippen. Ich klemmte einen Stein hinter die Hagebuttenzweige, der ihr Gewicht ausgleichen sollte, was eine Zeitlang gut ging. Doch im Frühling hatte ich auf den Stein vergessen und als ich die Hagebuttenzweige aus der Vase zog, fiel er bis in ihr Innerstes hinab und schlug unten angelangt eine Ecke ihres Bodens aus.

Meine erste weiße Vase hat mittlerweile Gesellschaft bekommen und trotz des geklebten Bodens bleibt sie das wichtigste Teil in meiner kleinen, feinen Sammlung. Denn sie zeigt mir immer wieder aufs Neue, wie ich die Vasen liebe: weiß wie Schnee müssen sie sein, weiß wegen der Unschuld, Reinheit und Klarheit, der Strahlkraft, Ruhe und Stille, des Friedens. Am liebsten mag ich sie unglasiert gebrannt, was man Biskuitporzellan nennt, und sich wie feinkörniger Marmor angreift. Wie klein oder groß, dick oder dünn die Vasen sind, ist mir nicht wichtig, aber Ornamente müssen sie haben. Dann dürfen sie zu meiner ersten weißen Vase aufs Regal.

Ding meines Lebens: Welt drehen
Ding meines Lebens – meine erste weiße Vase, die ich einer gelben Vase verdanke. Klingt ungewöhnlich? War es auch!