Lesestoff

Louise Erdrich
Der Nachtwächter

Wir schreiben das Jahr 1953: Thomas Wazhashk ist Stammesvorsitzender der Chippewa im Turtle Mountain-Reserverat in North Dakota und Nachtwächter in einer Fabrik. Während alles schläft, schreibt er Briefe an den Kongress der Vereinigten Staaten, um zu verhindern, dass sein Stamm sein Land verliert. Doch kann ein einzelner Mensch den Lauf der Geschichte verändern? Ein mitreißendes Buch, das heuer mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde.

Thomas Wazhashk verdankte seinen Nachnamen der Bisamratte – jenem bescheidenen Tier, das dem Wasser tief verbunden ist. Laut indianischer Mythen war es eine Bisamratte gewesen, mit deren Hilfe im Anbeginn, nach der großen Flut, die Erde neu erschaffen wurde. So betrachtet, hatte Thomas genau den richtigen Namen. Tagsüber ist er Vorsitzender des Chippewa-Stammes, nachts arbeitet er als Wächter in der Lagerstein-Fabrik im Turtle Mountain-Reservat. Während alles schläft, schreibt er unermüdlich Briefe an den Kongress der Vereinigten Staaten, um zu verhindern, dass sein Stamm sein Land verliert und in Städte zwangsübersiedelt wird. Ist die Schreibarbeit getan, kämpft er mit seiner großen Müdigkeit. Um nicht einzuschlafen, tanzt er mit den Sternen, spricht mit einer Schnee-Eule, seiner Brotdose und einem zottelhaarigen Jungen, der – nur für ihn sichtbar – nachts durch die Fabrik geistert…


Sie sollten also
wie üblich verschwinden.


Seine Nichte Pixie wiederum ist tagsüber in der Fabrik tätig. Obwohl sie die beste Arbeiterin ist, bringt ihr Job kaum genug ein, um ihre Mutter und ihren Bruder durchzubringen. Während sie unter ihrer Arbeitsleuchte sitzt oder sich nach der Mittagspause den Lippenstift nachzieht, überlegt sie, wie sie im Leben mehr erreichen kann. Und was sie mit Wood Mountain machen soll? Der junge Mann ist in Pixie verliebt und obwohl er ihr gefällt, hat sie keine Lust, ihre Selbstständigkeit für eine Familie aufzugeben. Dann verschwindet Vera – die Schwester von Pixie. Sie ist mit einem Mann in die Stadt Minneapolis gegangen und hat sich seit Monaten nicht mehr gemeldet. Ein Schamane findet heraus, dass Vera in Gefahr ist und Pixie entscheidet, ihre Schwester zu suchen. Auf dem Weg in die Stadt trifft sie zufällig Wood Mountain. Eine schicksalhafte Reise beginnt…

Louise Erdrich setzt einmal mehr ihren indigenen Vorfahren ein literarisches Denkmal: Mit viel Empathie, Weisheit und Humor erzählt sie von deren Sehnsüchten und Träumen, den indianischen Mythen, dem reichen Kulturschatz und dem dürren realen Leben in einem Reservat der 1950er Jahre. Ein Epos, das mich – wie jedes Buch von Louise Erdrich – tief bewegt und begeistert hat.

Im Aufbau Verlag um 24,70 Euro
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Übrigens: Das reale Vorbild für die fiktive Figur des Thomas Wazhashk war der Großvater von Louise Erdrich. Er arbeitete als Nachtwächter in einer Fabrik und kämpfte als Stammesvorsitzender gegen die Enteignung der indigenen Bevölkerung. Sein Engagement war unermüdlich, manchmal schlief er nur zwölf Stunden (!) pro Woche.

Viel geschlafen hat er nicht: Thomas Wazhashk – die Hauptfigur des Romans – ist Nachtwächter und Stammesvorsitzender der Chippewa in North Dakota. Während alles schläft, schreibt er Briefe an den Kongress der Vereinigten Staaten, um zu verhindern, dass sein Stamm sein Land verliert.
Viel geschlafen hat er nicht: Thomas Wazhashk – die Hauptfigur des Romans – ist Nachtwächter und Stammesvorsitzender der Chippewa in North Dakota. Während alles schläft, schreibt er Briefe an den Kongress der Vereinigten Staaten, um zu verhindern, dass sein Stamm sein Land verliert.