Lesestoff

Auđur Ava Ólafsdóttir
Miss Island

Die 1960er Jahre in Island: Hekla ist nach einem Vulkan benannt und das passt. Denn als man die junge, schöne Frau auf die Rolle der Miss Island festlegen will, wirft sie alle Konventionen über den Haufen. Sie will Schriftstellerin werden – auch wenn in Island nur Männer dichten.

Als SteinÞóra im fünften Monat schwanger ist, entdeckt sie auf einem Felsvorsprung ein Adlernest, in der zwei Junge kauerten. Über ihnen kreist mit schweren Flügelschlägen das Adlerweibchen, das ihr später bis zum Hof folgt. Als SteinÞóra zu Hause ankommt, ist sie sicher, einen Jungen zu bekommen und entscheidet, ihn Örn zu nennen – Adler. An dem Tag der Geburt fliegt das Adlerweibchen wieder über den Hof, doch das Baby ist ein Mädchen und ihr Vater benennt sie nach einem Vulkan: Hekla.


Ich möchte Sie einladen,
bei Miss Island mitzumachen.


Viereinhalb Jahre nach der Geburt von Hekla bricht ihre Namenspatronin aus – nachdem der Vulkan einhundert und zwei Jahre geschlummert hatte, was für ein Ereignis! Damit es Hekla möglichst nahe erleben kann, bringt sie ihr Vater zur brodelnden Lava und kehrt mit einem veränderten Kind zurück. Von nun an stiehlt sich Hekla immer öfters vom Hof weg. Ihre Eltern beobachten besorgt, wie sie auf Schneewehen liegt, um die Sterne zu betrachten. Oder wie sie – in das Gras einer Wiese geschmiegt – stundenlang den Wolken nachsieht. Dort trifft sie eines Tages auf Jón, einen schönen, feinsinnigen Jungen. Was die beiden eint, ist schnell klar: Sie sind anders als die Leute im Tal, die den Traditionen folgen – ohne diese zu hinterfragen, ohne viel zu wollen.


Sie sehen wirklich verdammt hübsch aus
in diesen karierten Hosen..


Was Hekla will, weiß sie genau: schreiben. Doch es ist das Jahr 1963 – und die Dichter Islands sind Männer. So entscheidet sie, nach Reykjavík zu ziehen. In der Stadt, meint sie, wird es leichter sein, ihren Traum zu verwirklichen. Doch bereits im Bus dorthin will sie ein Mann dazu überreden, beim Wettbewerb zur Miss Island mitzumachen. Auch im Restaurant, in dem sie später anheuert, sprechen alle nur von ihrer Schönheit. Wenn sie abends beim Dichterlokal vorbeigeht, sitzen dort nur Männer. Nicht einmal ihrem Freund, der ebenfalls Dichter ist, kann sie die Wahrheit zumuten: Sie schreibt heimlich, in der Nacht, wenn ihr Freund schläft. Doch dann taucht wieder Jón auf, der Junge aus ihrem Tal. Und wieder trifft Hekla eine unkonventionelle Entscheidung…

Ein Buch, das aufrührt und anregt: mit seiner Ironie, den Gegensätzen zwischen Wollen und Tun, den ernüchternden Wahrheiten, dem feministischen Ansatz und einer mutigen Protagonistin, die ihrem Weg folgt – ob nun ein Vulkan ausbricht oder nicht. Schön!

Im Insel Verlag um € 22,70

Miss Island
Ein Buch, das aufrührt und anregt: mit seinen Gegensätzen zwischen Wollen und Tun, ernüchternden Wahrheiten, dem feministischen Ansatz und einer mutigen Protagonistin, die ihrem Weg folgt.