Lesestoff

Elizabeth Strout
Oh William!

Ein ungewöhnliches Buch mit einem ungewöhnlichen Paar: Lucy und William sind seit Jahrzehnten getrennt, doch wenn es drauf ankommt, halten sie zusammen. So auch, als das Leben von William vollends auf den Kopf gestellt wird und über den Ereignissen die große Frage auftaucht: Wie sicher ist die Wahrheit?

Lucy, die Hauptfigur dieses Romans, ist Schriftstellerin und erzählt von ihrem ersten Mann: William. Bevor sie sich von ihm trennte, waren sie zwanzig Jahre verheiratet. Nun sind sie schon lang Freunde. William ist ein angesehener Wissenschaftler und trotz fortgeschrittenem Alter ein gutaussehender Mann – groß, volles Haar, schlank geblieben, mit nur einem kleinen Bauch, den man im bekleideten Zustand kaum sieht. Er wohnt in einer repräsentativen Wohnung mit Blick auf den Hudson River und ist mittlerweile in dritter Ehe verheiratet: mit einer Frau, die zweiundzwanzig Jahre jünger ist als er. Alles in allem keine schlechte Bilanz, findet Lucy.


Was ist das denn, Lucy?


Aber nachts befällt William neuerdings eine große Angst. Das gesteht er Lucy eines Vormittags, als sie sich an der Upper East Side zum Kaffee treffen. Er zupft an seinem Schnauzbart und meint, dass diese Angst mit seiner verstorbenen Mutter zu tun hätte. Und dass er ihre Gegenwart in diesen schlaflosen Nächten spürt. Dann offenbart William eine weitere Vermutung: dass diese Angst irgendwie auch mit seinem Vater zu tun haben könnte – einem deutschen Kriegsgefangenen, der seinerzeit zum Arbeiten auf die Kartoffelfelder in Maine abkommandiert war. Dort lernte er Williams Mutter kennen, sie war die Frau des Kartoffelfarmers. Doch wie seine nächtliche Angst konkret mit seinen Eltern zu tun hat und warum sie so plötzlich auftauchte, das kann sich William nicht erklären.


Und ich sagte: Großer Gott!


Zwei Dinge passieren im Leben von William, bald nach dem Treffen mit Lucy. Der erste Vorfall hat mit dem Geburtstagsgeschenk zu tun, das er von seiner Frau erhält: den Zugang zu einer Datenbank für Ahnenforschung. William, etwas versnobt und eitel, fragt sich verärgert: Was soll er mit so einem Geschenk? Erst als ihn Lucy immer wieder dazu drängt, setzt er sich mit der Vergangenheit seiner Eltern auseinander. Dann passiert ein zweiter Vorfall, der das Leben von William vollends auf den Kopf stellt…

Lebensklug, ironisch, mitfühlend, kopfschüttelnd, scharfsinnig, versöhnlich und ein dynamischer Erzählduktus. Der neue Roman von Elizabeth Strout ist ein Roadmovie durch eine überraschende Familiengeschichte. Sehr kurzweilig, an einem Schlechtwettersonntag ausgelesen!

Im Luchterhand Verlag um € 20,60

Lesestoff
Wie man sich bettet, so liest man: Und weiche Kissen braucht ihr, um diesem dynamischen Roadmovie durch eine überraschende Familiengeschichte mit allerlei Hindernissen zu folgen.